Heute möchte ich auf das Thema Kreuzbandriss beim Hund eingehen und wie wichtig eine engmaschige und zeitnahe Physiotherapie für den weiteren Heilungsverlauf ist.
Ich bin in den letzten Wochen, zu meinem grossen Entsetzen, häufiger von Hundebesitzern konsultiert worden, deren Hunde nach mehreren Monaten immer noch Probleme haben das operierte Bein zu belasten, extremen Muskelschwund haben und/oder unter schmerzhaften Muskelverspannungen leiden.
Leider gibt es Tierkliniken und Tierärzte, die entweder gar nicht auf das Thema Physiotherapie Post-Op eingehen, oder erst 6-8 Wochen nach der OP mit einer Physiobehandlung beginnen lassen.
Vergleich zum Menschen
Beim Menschen wird nach Gelenk-OPs, meist noch IM KRANKENHAUS, spätestens aber am 3. Tag mit einer Physiotherapie begonnen (Voraussetzung ist natürlich, dass die Wunde OK ist)! Diese Physiotherapie bekommen Menschen von Ihrer Krankenkasse bezahlt und dauert oftmals mehrere Wochen, da sie ohne Physiotherapie spätestens nach 2 Wochen ihr Gelenk nicht mehr richtig schmerzfrei bewegen könnten! Eine vollständige Gelenkbeweglichkeit dann wieder herzustellen ist extrem schmerzhaft!
CAVE
Natürlich sind BESTIMMTE Griffe/Techniken und Übungen NICHT unmittelbar nach OP möglich und eine HÖHERE BELASTUNG des Beins sollte erst nach 6-8 Wochen erfolgen!
Bereits am 3. Tag Post-OP
Mit entkrampfenden therapeutische Massagen, leichtem Durchbewegen der Gelenke, entstauenden Lyphm-Massagen, Magnetfeldtherapie, Lasertherapie etc., kann, für den weiteren Heilungsverlauf und die Wiederherstellung der Beweglichkeit in vollem Umfang, bereits 3 Tage (!) nach Operation begonnen werden. Je nach Operationsmethode und Training, sollte eine volle Belastung und eine komplette Wiederherstellung der Gelenkbeweglichkeit nach ca 3-4 Monaten gegeben sein.
Fortschreitende Arthrose
Darüber hinaus ist eine regelmäßige Physio- und Osteo-Behandlung in den folgenden Jahren anzuraten. Ein Kreuzbandriss zieht über kurz oder lang unweigerlich eine Arthose nach sich. In welchem Umfang und Zeitraum dies geschieht, hängt allerdings von vielen Faktoren ab und ist immer individuell zu betrachten! Das Fortschreiten einer Arthrose wird durch regelmäßige Physiotherapie nachweislich vermindert. Außerdem werden die Folgen von Fehlbelastungen minimiert. Nicht selten haben die Tiere durch die sekundären muskulären Verspannungen Schmerzen in der Hüfte und der Lendenwirbelsäule. Die negativen Folgen einer zu langen Einschränkung der Gelenkbeweglichkeit sind hinreichend bekannt.
Langsame Steigerung der Übungen
Ein(e) gut ausgebildete(r) Therapeut wird seine Behandlung stets nach tierärztlichen Vorgaben, der angewandten Operationstechnik und dem Gesundheitszustand des Hundes anpassen, die Übungen und Therapien langsam und vorsichtig durchführen und die Intensität in den folgenden Wochen LANGSAM steigern. Der Halter sollte aktiv in den Therapieplan eingebunden werden und die Übungen eigenständig, mehrmals täglich einige Wochen und natürlich unter Anleitung eines Therapeuten durchführen.
Hundemodell Flint ;)
Durch wochenlange starke oder über Monate persistierende Lahmheiten mit teils getragener Gliedmaße, kommt es ohne physiotherapeutische Behandlung durch eine Minderbelastung der Gliedmaße im Allgemeinen zu folgenden Symptomen:
• Deutliche Atrophie der Muskulatur
• Kontrakturen der Oberschenkelmuskulatur (mit z.T. starkem Zug auf das Hüftgelenk) und der Unterschenkelmuskulatur
• Fortschreitende Knorpeldegeneration
• Gelenkkapselkontraktur
• Eingeschränkte Beweglichkeit des Kniegelenks
• Schmerzhafte Verspannungen der gesamten Wirbelsäulenmuskulatur, infolge der Fehlbelastung
Ich habe hier einmal nur zwei Beispiele aus meinem Alltag aufgegriffen
1) BEISPIEL: SCHLECHTE BEWEGLICHKEIT & PROBLEME NACH TPLO
American Staffordshire
Komplikationslose OP, TPLO, ohne entzündliche Veränderungen, mit „optimalem Heilungsverlauf aus chirurgischer Sicht“. Empfehlung Tierklinik und behandelnder Tierarzt: Mindestens 6 Wochen keine Physiotherapie! Die Besitzer hatten nach ca. 6 Wochen, auf Anraten der Tierärzte, mit Unterwasser-laufband, passiver Bewegungstherapie, Massagen etc. in einer Physiopraxis begonnen. Jetzt haben meine Physio Kolleginnen soweit erst einmal Alles gegeben, um überhaupt die Muskulatur zu entkrampfen (auch der Rücken und die nicht-betroffene Gliedmaße, muss in die Therapien mit einbezogen werden) und den Bewegungsradius des betroffenen Gelenkes wieder einigermaßen herzustellen. Dies war zum Teil aber sehr schmerzhaft für den Hund, da sich bereits, neben Muskelathropie, Muskelkontraktur, Fehlbelastungen, Verklebungen, mittlerweile auch Überanstrengung der anderen Gliedmaße, Vorderläufe/Schulter, Rückenschmerzen, Probleme im Kreuzdarmbein etc. eingestellt haben.
Der Hund wurde mir 5 Monate nach OP vorgestellt um eine Einschätzung abzugeben und ggf. die weitere Behandlung zu übernehmen. Das Bein immer noch vereinzelt in Schonhaltung getragen und nicht vollständig belastet. Gangbild und Abtasten, sowie Gelenktestungen zeigten oben beschriebene klassische Symptome: Muskelverkrampfungen, Faszienverklebungen, Brustwirbelsäule und Kreuzdarmbein Blockierungen, Schonhaltung Hals, Rücken, sowie Überlastungserscheinungen der Vordergliedmaße. Zudem zeigte der Hund, durch das monatelange Ruhighalten, deutliche Stress-Symptome: Verhaltensauffälligkeiten durch Unausgeglichenheit und Schmerzen.
2) BEISPIEL: GUTE BEWEGLICHKEIT & KEINE PROBLEME NACH TPLO
Deutsche Dogge
Der Hund wurde mir 4 Tage Post-OP vorgestellt. Andere Tierklinik, anderer behandelnder Tierarzt. Nach gutem OP-Verlauf wurde bereits noch stationär in der Physioabteilung der Klinik mit Massagen und leichten passiven Bewegungsübungen begonnen. Den Haltern wurden Übungen für daheim gezeigt und erklärt. Eine weiterführende physiotherapeutische Behandlung unmittelbar im Anschluß angeraten. Guter Heilungsverlauf bis jetzt, keine Entzündungen, Hund munter wohlauf, konnte bereits an dem Tag ganz leicht sein Bein belasten (nur kurz beim Fressen im Stehen und beim Piseln).
Massagen und leichte passive Bewegungsübungen auf der Magnetfeldmatte und anschliessende Behandlung der umgebenden Muskelpartien (nicht Operationsgebiet!), Rücken, Oberschenkel Innen- und Außenseite, Halswirbelsäule nicht zu vergessen, mit dem Novafon, ist dabei tief und fest eingeschlafen ;)
Weiterhin werde ich den Hund darüber hinaus mit dem Impuls Dioden Laser von Biomedial Systems behandeln. Die Hundehalterin besitzt selbst eine Magnetfeldmatte von Biomedial Systems und therapiert nach Anleitung eigenständig.
Ab der 3. Woche kann eine Massage zur Erhaltung der Flexibilität der Narbe und ggf. eine Narbenentstörung angeschlossen werden. Narben sind immer STÖRFAKTOREN, welche sich ungünstig auf den Gesamtorganismus auswirken kann!
Tapeanlagen, Akupunktur, isometrische Übungen, Propriozeptives Training und Übungen für den gezielten Muskelaufbau in den folgenden Wochen sind angemacht.
FAZIT
Verschiedene Tierärzte, verschiedene Meinungen. Manche Tierärzte vertreten bewusst ihre Entscheidungen mehrere Wochen Post-OP auf Physio zu verzichten. Bitte sprechen Sie ihre Tierärzte darauf an und hinterfragen Sie die Entscheidung UND erwarten Sie bitte eine Begründung. Oftmals geht Einiges, in dem Operationsstress und der Aufregung, ohne böse Absicht, unter.
Ich persönlich arbeite gerne mit Tierärzten zusammen und für mich hat eine tierärztliche Anordnung absolute Priorität. TROTZDEM möchte ich Sie in diesem Artikel für dieses Thema ein wenig sensibilisieren. GGf. holen Sie sich bitte eine zweite Meinung ein. Seit geraumer Zeit wird übrigens die Physiotherapie an den Unis fest in den Studiengang Tiermedizin integriert.
Kreuzbandriss - Konservative Therapie
Das Rehabilitationsprogramm der konservativen Therapie (Kreuzbandanriss/Kreuzbandriss OHNE Operation) ähnelt dem Vorgehen, das bei einer chirurgischen Stabilisierung des Kreuzbandrisses beschrieben wird.
Kreuzbandriss bei der Katze
Rupturen des vorderen Kreuzbands sind bei Katzen deutlich seltener als bei Hunden. Zugrunde liegen die gleichen Pathomechanismen wie beim Hund: Die traumatisch und die progressiv degenerativ bedingte Ruptur. Auch bei der Katze spielen Faktoren wie Alter, Körpergewicht und körperliche Aktivität eine wichtige Rolle. Dabei treten rein traumatisch bedingte Rupturen des Kreuzbands häufiger auf als degenerative. Bei Katzen ist die konservative Therapie in den meisten Fällen erfolgreich. Wenn weitere Verletzungen der Bänder vorliegen, die Instabilität zu groß ist und die Katze nach einer etwa 2-wöchigen konservativen Therapie das Bein noch immer nicht belastet, wird meist extrakapsulär stabilisiert.
Jedes Tier erhält bei mir ein individuelles Programm, das an den Krankheitsverlauf, die Therapiemethode und die jeweiligen Bedürfnisse angepasst ist.
In jedem Falle sind Überlastungsspitzen zu vermeiden. Auf Wunsch tausche ich mich gerne mit ihrem behandelnden Tierarzt aus. Eine regelmäßige Konsultation beim Physiotherapeuten (1- bis 3-mal/Woche in den ersten 2–3 Wochen) zur Kontrolle und Anpassung des Programms ist zu empfehlen. Danach können die Behandlungsintervalle individuell verlängert werden.
Ich kombiniere in meinen physiotherapeutischen Behandlungen gerne verschiedene Therapien miteinander. Welche das sind und weshalb sie wichtig sind, habe ich kurz beispielhaft aufgelistet:
1) Passive Bewegungsübungen am liegenden Tier: Durchbewegen der Gelenke, Förderung der Beweglichkeit, Vermeidung von Muskelkontrakturen, Erhalt der Sensibilität der Gliedmaße
2) Massagen : Vermeidung von Verklebungen, Durchblutungsförderung, Ausleiten von Gewebsflüssigkeit, Entkrampfung der Muskulatur, Wohlbefinden, Schmerzlinderung, Vermeidung von Muskelkontrakturen, Tonisieren der Muskulatur
3) Narben Mobilisation/Massage : Vermeidung von Verklebungen, Regeneration
4) Aktive Bewegungsübungen : Nach 4–6 Wochen kann die Belastung langsam gesteigert werden. Aktive Bewegungsübungen dürfen erst 5–6 Wochen nach dem operativen Eingriff in das Programm integriert werden und müssen sehr vorsichtig erfolgen. Bewegungsübungen, Förderung der Beweglichkeit, Muskelaufbau, Erhalt der Sensibilität der Gliedmaße, Propriozeptives Training, Isometrische Übungen, Taktiles Sensomotorisches Tranig (Körperbänder), und mehr …
5) Physikalische Therapien : Schmerzlinderung, Durchblutungsförderung, Ausleiten von Gewebsflüssigkeit, Kälte, Wärme, Elektrotherapie, Magnetfeldtherapie, Lasertherapie, Schallwellentherapie
6) Weitere ganzheitliche Ansätze:
Akupunktur/Akupressur, Flexibles Taping, Mooranwendungen, Moxatherapie, etc.
Hausaufgaben für Tierhalter
Den Besitzern werden zudem Übungen für zu Hause gezeigt. Der Besitzer sollte dann nach genauer Instruktion 3-mal täglich die passiven Bewegungen und die Massage sowie 5-mal täglich die aktive Bewegungstherapie durchführen. Bei mir ist der Tierbesitzer immer aktiv in den Therapieplan eingebunden. Ich zeige Ihnen Übungen und erkläre die weitere Vorgehensweise. Da das KORREKTE Ausführen der Übungen extrem wichtig ist, sollte IMMER ein Therapeut darauf achten. Ich warne vor eigenmächtigen Handlungen anhand von Büchern oder Videos OHNE therapeutische Anleitung vor Ort!
Kreuzbandriss kurz erklärt
Von einem Kreuzbandriss spricht man bei einem teilweise angerissenen oder völlig gerissenen Band eines oder beider Kreuzbänder.
Man unterscheidet: Vorderer Kreuzbandriss, hinterer Kreuzbandriss (sehr selten), Kreuzbandriss beider Bänder. In der Regel reißt bei Hunden das vordere Kreuzband, da dieses einer stärkeren Belastung ausgesetzt ist. Durch die entstehende Instabilität und den Bewegungsspielraum des Gelenks kommt es zu Überlastungen von anderen Strukturen des Bewegungsapparates. Der Knorpel im Kniegelenk und die Menisken sind einem erhöhten Verschleiß ausgesetzt, wodurch eine chronische Entzündung entsteht. Folgend kommt es durch entstehende Entzündungen zu einer Arthrose im Kniegelenk.
(Bildmaterial: https://de.wikipedia.org/wiki/TPLO)
Wie entsteht ein Kreuzbandriss?
Ein Kreuzbandriss entsteht meist durch Fehl- oder Überlastung. Meist kommt es zunächst zu kleinen Teilrissen, bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Band völlig reißt. Zum Beispiel bei Sporthunden durch eine extreme Rotationsbewegung, Kompression und Zugkraft auf das Knie. Auch übermässiges Laufen, Fahrradfahren, Springen, Wegrutschen etc., besonders bei jungen Hunden, bei denen die Muskulatur und die Gelenke noch nicht völlig ausgeprägt sind, aber auch ältere Tiere, nach einem Sturz, Unfall, oder Hunde mit Rasse bedingter Prädisposition (große Hunde, Berner Sennen, Doggen, Neufundländer) sind betroffen. Zudem können die Bänder langfristig durch Übergewicht abgenutzt werden. Ein Kreuzbandriss kann ebenso durch andere Erkrankungen des Bewegungsapparates als Folgeerkrankung auftreten. Zum Beispiel als Folgeerkrankung durch eine Patellaluxation oder einer Arthrose.
Erste Anzeichen für einen möglichen Kreuzbandriss
• Lahmheit des betroffenen Beines
• Getragenes oder teilweise hoch getragenes Hinterbein
• Anlaufprobleme nach Ruhephasen
• Schmerzhaftes Knie beim Abtasten
• Schmerzen beim Auftreten
• Stehen nur auf der Zehenspitze des betroffenen Hinterbeins
• Angeschwollenes Kniegelenk
Sollten Sie ein oder mehrere dieser Symptome bei ihrem Tier beobachten, ist eine Abklärung durch einen Tierarzt mit angeschlossenen bildgebenden Verfahren unbedingt erforderlich! Eine Diagnose erstellt ausschließlich der Tierarzt. Häufig verschwindet die akut auftretende Lahmheit erstmal wieder, was eine Diagnose für den Besitzer in einigen Fällen schwierig macht. Eine wiederkehrende Lahmheit unterschiedlicher Stärke kann folgen.
(Quelle/Zitate: Thieme Verlag - Januar 2020 - https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/html/10.1055/s-0034-1384413#Artikel%20lesen)
Bleibt InTakt, eure Andrea Küster